Für König Ludwig II. muss dies eine zutiefst verstörende Situation gewesen sein, ist der Monarch doch zeitlebens ein bekennender Bewunderer der französischen Kunst und Kultur gewesen. Schloss Herrenchiemsee hatte er nach dem Vorbild des Schlosses Versailles in allen Details geplant. Um die größtmögliche Perfektion zu erreichen, hatte der junge Monarch mit französischen Fotografen korrespondiert und sie in zahlreichen Briefen und drängenden Telegrammen um weitere Aufnahmen des französischen Vorbilds gebeten.
Die Fotografie ermöglichte aber nicht nur dem bayerischen Monarchen exklusive Einblicke in Frankreichs höfische Kultur, sondern gewann im Laufe des Deutsch-Französischen Kriegs mehr und mehr an Bedeutung. Erstmals konnten Kriegsereignisse abgebildet werden. Auch wurden Geschehnisse an der Front inszeniert, um gezielt Propaganda zu machen.
150 Jahre lang lagerten diese Kriegsfotografien in diversen Archiven in Europa. Der 30-jährige Bildwissenschaftler und Kunsthistoriker Paul Mellenthin hat in jahrelanger Recherche die Bilder aufgespürt. Als einer der ersten Wissenschaftler überhaupt erhielt Paul Mellenthin die Genehmigung, die bislang unveröffentlichte Fotografie-Sammlung König Ludwig II. zu sichten und auszuwerten: Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds gewährte dem Forscher einen einmaligen Blick in das so genannte "Geheime Hausarchiv" und somit auf Fotografien, deren Beauftragung durch den König anhand seiner persönlichen Korrespondenz belegt ist.
Formal ist diese Dokumentation als spannendes, vorantreibendes Roadmovie erzählt: Begleitet von spektakulären Landschaftsaufnahmen des Chiemgaus sowie der Insel Herrenchiemsee vermittelt sie so nicht nur neue Erkenntnisse über die spezifische Rolle Bayerns im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, sondern entdeckt zudem erstmals für die Öffentlichkeit die private Fotografie-Sammlung König Ludwig II., die zeitgleich in den 1870er-Jahren entstand. Diese einmaligen Zeugnisse vermitteln dem Zuschauer einen emotionalen Zugang zu dem historischen Ereignis, das sich im Jahr 2020 zum 150. Gedenken jährt.
Sendetermine
14.07.2020
Dokumentarfilm
45 Minuten
Regie
Grit Lederer
Drehbuch
Grit Lederer
Paul Mellenthin
Kamera
Marcus Winterbauer
Schnitt
Hannes Richter
Musik
Carsten Rocker
Ton
Moritz Springer
Michael Thäle
Tonmischung
Stefanie Nina Steinbichl
Color Grading
Till Beckmann
Produktion
Kinescope Film GmbH
Associate Producer
Christina Mayer
Producer*in
Matthias Greving
Sender
BR
Redaktion
Andrea Bräu