Höher, schneller, weiter... den Fortschritt umarmen und ein Global Player sein – das ist Oliver Drittenpreiß (48). Er kommt zwar aus dem Osten, aber ist inzwischen sogar der westlichere Wessi: Ein Turbokapitalist, auf eine positiv-manische Art. Oliver ist in Gedanken meist 10 Schritte voraus – und genau das ist seine Profession: Er macht Unternehmen zukunftsfähig, fördert die technische Aufrüstungsspirale, denkt groß, effizient, über Masse. Corona hat den Online-Handel auch bei denen, die zuvor noch lokal geshoppt haben, geboostert – und damit auch die (un)vermeidlichen Retouren. Ein neues, großes Retourencenter muss her. Und Oliver hat exakt dafür einen Kandidaten auserkoren: Das Retourencenter Meck-Pomm (kurz RMV), einem beschaulichen, wirtschaftlich unauffälligen Center, für das sich bislang niemand interessiert hat – und das war auch gut so. Denn was weder Oliver noch die Firmenzentrale wissen: So langweilig, wie die Zahlen vermuten lassen, geht es im RMV nicht zu! Im Reich von Chefin Susanne Krombholz (45) hat man nämlich eine ganz eigene Interpretation der sozialen Marktwirtschaft gefunden: das Kombinat zweite Chance. Hier werden verschmähte Retouren unter der Ladentheke verkauft - statt sie wie vorgeschrieben zu schreddern. Das ist doch (fast) alles noch gut! Der Gewinn wandert in die eigene Tasche – ist also für den „guten Zweck“. Aus ökologischen Gründen und aus ureigensten kapitalistischen Interessen der Mitarbeiter des RMVs darf Olivers (Alb)Traum vom modernen und transparenten Mega-Center nicht wahrwerden. Irgendwie müssen sie den Visionär Oliver schnellstmöglich wieder los werden – notfalls auch mit radikalen Mitteln.
Foto: O-Young Kwon